Muscheln liefern medizinischen Klebstoff

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Muscheln verankern sich mit ihrem Kleber am Untergrund (Rolf Handke / pixelio.de)

Der Klebstoff, mit dem Muscheln sich am Untergrund verankern, eignet sich hervorragend für den medizinischen Einsatz als Gewebekleber.

Muscheln kennen und lieben Genießer vor allem in Wein gekocht, mit Gemüse und frischen Kräutern. Doch sie können mehr als unseren Gaumen zu verwöhnen. Amerikanische Wissenschaftler der »Pennsylvania State University« fanden heraus, dass der Muschelleim mit dem sich die Meeresbewohner an Steinen und Schiffswracks festhalten, achtmal stärker ist als chirurgischer Klebstoff. Den Bio-Ingenieuren gelang es, mit Hilfe der Muscheln einen guten Kleber herzustellen. Sie präsentierten ihre Forschungen im Fachblatt »Biomaterials«.

Gewebekleber, die Chirurgen momentan verwenden, haben den großen Nachteil, dass sie schlecht auf nassen Oberflächen wie Organen und Blutgefäßen haften, berichten die Forscher. Muscheln verankern sich gerade im Wasser mit starken Gezeitenströmungen. Die Weichtiere nutzen dafür als Klebemittel iCMBAs, sogenannte Bioadhäsive.

Starker Muschelkleber

Den Klebstoff, den die Wissenschaftler den Muscheln abgeschaut haben, bindet sich achtmal besser an nasses Gewebe als herkömmlicher chirurgischer Kleber. Die Forscher der »Pennsylvania State University« testeten den neuen Klebstoff an Wunden bei Ratten und verglichen die Wirkung mit normalem Nahtmaterial und chirurgischem Gewebekleber.

Den Bio-Ingenieuren zufolge ist der Muschelkleber nicht nur für das Verschließen von Wunden geeignet, sondern auch als Bindemittel bei Transplantationen, zum Beispiel bei Hauttransplantationen für Brandwunden. Der Muschelkleber könnte in Zukunft traditionelle Methoden zur Wundverschließung wie Klammern oder Nähte ersetzen. Auch für einen kurzzeitigen Wundverschluss ist der natürliche Klebstoff geeignet. »Wenn das Material nur eine Woche in der Wunde bleiben soll, können wir dafür sorgen, dass es innerhalb dieser Zeit komplett aus dem Körper verschwindet«, erklären die Bio-Ingenieure.

Antimikrobielle Mittel

Der neue Gewebekleber ist noch nicht ganz fertig. Die Forscher denken darüber nach, dem Haftmittel neue Bestandteile zuzufügen, wodurch es neue Funktionen bekommt. So ist es möglich, Antibiotika hinzuzufügen, und dem Kleber so eine Doppelfunktion zu verleihen.

Die Wissenschaftler wollen außerdem die Bindekraft des Muschelklebers noch erhöhen. Das wäre wichtig, um Knochenbrüche kleben zu können. Dafür ist der Klebstoff in der aktuellen Phase noch nicht stark genug.

Einen Nachteil hat der Muschelklebstoff allerdings noch: Nach der Anwendung werden leichte Entzündungsreaktionen hervorgerufen. »Doch das ist bei allem, was in den Körper eingebracht wird und dort nicht hingehört so«, meinen die Wissenschaftler.

Muschelklebstoff schon einige Jahre auf dem Prüfstand

Schon 2009 hatten Forscher an der »North Carolina State University« mit dem natürlichen Klebstoff der Weichtiere experimentiert. Sie entdeckten schon damals, dass die Muscheln bestimmte Proteine für ihren körpereigenen Kleber produzieren, der ungiftig und ökologisch unbedenklich ist. Traditionelle medizinische Klebstoffe können dagegen toxikologisch wirken und sind ökologisch umstritten. Die Studienautoren hofften schon damals auf einen medizinischen Einsatz des Muschelklebers und versprachen sich bessere Heilung und weniger Narbenbildung. Auch die präzise Anwendbarkeit begeisterte die Forscher und könnte neue Einsatzgebiete wie die Augenchirurgie eröffnen.

Quellen:Mohammadreza Mehdizadeh, Hong Weng, Dipendra Gyawali, Liping Tang, Jian Yang: Injectable citrate-based mussel-inspired tissue bioadhesives with high wet strength for sutureless wound closure, Biomaterials, Volume 33, Issue 32, November 2012, Pages 7972-7983, ISSN 0142-9612, doi: 10.1016/j.biomaterials.2012.07.055

Roger J. Narayan et al.: Inkjet printing of bioadhesives, Journal of Biomedical Materials Research Part B: Applied Biomaterials Volume 89B, Issue 1, pages 28–35, April 2009, doi: 10.1002/jbm.b.31183

Foto: Rolf Handke / pixelio.de

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